Genkinger Steige

Ein Luftbild von Gönningen das Wiesaztal aufwärts aus längst vergangenen Jahrzehnten.

Wer kann sich heute vorstellen, daß es vor 1860 keine Straße talaufwärts nach Genkingen gab. Die Pferdewagen fuhren die Roßbergstrasse mehrspännig das Deich hoch auf die Albhochfläche.

 

1860 wurde die neuerbaute Straße von Pfullingen über Gönningen nach Genkingen das Wiesaztal aufwärts eröffnet. Anlässlich dieses Festes hat Heimatdichter Matheus Wagner folgende Zeilen verfasst:

 

Willkommen heut im Wiesaztale

Am schönen Weihefest,

Das endlich nun mit einemmale

Sich froh begehen lässt!

 

Die neue Strasse ist vollendet

Kein Zweifel waltet mehr,

Und dieser heit´re Tag verkündet

Uns leichteren Verkehr.

 

Wer denkt nicht an vergang´ne Zeiten

Der unser Tal gekannt

Wo Hohlweg fast nach allen Seiten

Mit Roschlag noch bestand !

 

Verbessert sah man jene Strecken

In jüngster Jahre Lauf; -

Man hob sonach in äusserem Flecken

Das Karrenfuhrwerk auf.

 

Trotz allem Aufwand blieb die Staige

Ein Hindernis fortan,

Und mancher Landmann wurde Zeuge

Wie schwer man dort getan.

Wer Ladung in dem Tal genommen

Und aufwärts einmal fuhr -

Der rief da oben angekommen:

"Lebt wohl da unten nur!"

 

Ihr möget gut und glücklich hausen

Das acht` ich wenig doch ;

Denn eure Staige macht mir Grausen

die geht zu steil und hoch!

 

Der Rossberg hörte manche Klage

Im Stilllen so, und schwieg -

Und dachte wohl an jene Tage

Wo man ihn oft bestieg!

 

Und weil er vieles schon erfahren

Das uns die Zeit gebracht

So gab er, wie seit langen Jahren

Auf alles bess´re Acht.

 

Und sieh´ es kam ; durch Feld und Wiesen

Die neue Strasse führt

Vorbei am alten Bergesriesen

Der prächtig paradiert!

 

Wohl mancher Ausflug ist zu hoffen

Dem hohen Berg zu lieb,

Der, eh die neue Strasse offen

Schon öfters unterblieb !

 

Jetzt wandelt man auf sich´rem Wege

Herein durch uns´re Flur

und dann bergan im Waldgehege

Auf weicher Blumenspur.

 

Drum jeder Wand´rer sei gegrüsset

Der unser Feld begeht

Und stille süsse Luft geniesset,

Wenn Frühlingsodem weht!

 

Und jeder Fuhrmann auf der Strasse

Vor Unfall sei bewahrt

Und habe in erwünschtem Masse

Nur Glück, auf seiner Fahrt !

 

Und Heil dem, der per Reisewagen

In froher Muse zieht,

Wenn uns´re Bäume Früchte tragen

Und wenn der Lenz verblüht!

 

Ihm wechselt freundlich Au und Haine

Nach Formen und Gestalt,

Ihm lächelt frisch im Sonnenscheine

Der dichte Obstbaumwald.

 

Und welche Zaubermelodien

Entzücket seine Brust -

Wie nun der Nächte Schatten fliehen

Des Frühlings goldner Lust!

 

Ihr Talbewohner freut zur Stunde

Euch in der Freundschaft Kreis

Erzähle nun und gebe Kunde

Wer etwas schönes weiss!

 

Ihr seid zurück von euren Reisen

Der Festtag blickt auch hold;

So möget ihr die Vorsicht preissen

Die gütig es gewollt!

 

Wir haben nun durch uns´re Auen

Die neue Strassenbahn,

Es führt die Staige ohne Grauen

Das Alb-Gebirg hinan!

 

So lasst uns freudig anerkennen,

Der hohen Spende Wert,

Die wir mit tiefstem Danke nehmen

Als Beitrag uns bescheert!

 

Ein fröhlich "Hoch" aus aller Munde

Wir heute bringen dar

Dem Könige, der bis zur Stunde

Des Landes Vater war!

 

Wie vieles ist durch ihn geschehen

Für Handel und Verkehr !

Des Himmels Glück und Wohlergehen

Mög` walten um Ihn her!

 

Gott sei mit Ihm und seinen Lieben

An jedem Morgen neu

Nie mög ein stilles Leid sie trüben

Von welcher Art, es sei!

 

Dank sagen wir an diesem Tage

Den Vorgesetzten noch;

Gelöset wurde schön die Frage

"Sie leben Alle, hoch!"

 

Dank, Allen, die beschäftigt waren

Für Arbeitsfleiss und Müh´n!

Nicht weihen die betrauten Scharen

Des Sommers Sonnenglüh´n.

 

Wir wollen innig uns erfreuen

Dass uns des Schöpfers Hand

Die Strasse heute einzuweihen

So freudevoll verband.

 

So ist die Arbeit vieler Stunden

Vorüber, wie wir seh´n,

Uns mag die Zukunft erst bekunden

Ein nützliches Besteh´n !

 

Indess -  bis alles abgetragen

Noch still die Sorge schleicht -

Es geht uns wohl, man möchte sagen

Zum Zwecke nicht so leicht.

 

Doch gilt es Mut und guten Willen -

Und hat man gute Zeit.

So dürft´am Ende sich erfüllen

was uns noch Sorgen beut!